Griechische Tragödie

Wohin treibt Griechenland?

Meine griechischen Freunde sind entsetzt über die Politik des neuen Premierministers Alexis Tsipras. Bei meinem letzten Griechenlandbesuch vor wenigen Wochen waren sich die meisten meiner Gesprächspartner einig: Griechenland braucht Reformen, und Griechenland braucht Druck von außen, damit diese Reformen beibehalten werden. Der Weg, den Griechenland in Abstimmung mit der Troika begonnen habe, meinten sie, sollte fortgesetzt werden. „Leider sind wir Griechen aber keine Teamspieler“, sagte mir eine Pädagogin, die mehrere Jahre in der Schweiz und in Schweden gelebt hat. „Wir sind selbst zu oft zerstritten. Aber wir brauchen mehr Zusammenhalt, damit die Reformen wirken.“

Am Freitag [30.01.2015] hatte Tsipras’ Finanzminister Giannis Varoufakis die Zusammenarbeit mit der Troika aus Vertretern der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Kommission und des Internationalen Währungsfonds in einer Pressekonferenz aufgekündigt. („Unser Land weigert sich, mit der Troika zu kooperieren.”) Kurze Zeit später relativierte er seine Aussagen in einem Interview mit der BBC. Die neue griechische Regierung wolle die Strukturreformen nicht umkehren, sondern sogar vertiefen, sagte er. Der Frage, ob er keine weiteren Geldzahlungen annehmen werde, wich er mehrfach aus (hier das Interview im Original).

Regierungskritische Stimmen aus Griechenland

Die griechische Gesellschaft ist tief gespalten in Tsipras-Befürworter und -kritiker. Viele Griechen, insbesondere aus der gebildeten Mittelschicht, machen sich große Sorgen um die Zukunft ihres Landes. Diese Stimmen werden aber derzeit in der deutschen Öffentlichkeit wenig wahrgenommen. Ich dokumentiere deshalb im Folgenden die Zuschrift eines griechischen Universitätsprofessors (Universität Ioannina) der mir schreibt:

“Was Tsipras verspricht, ist reiner Populismus. Er spielt nur mit der Verzweiflung der Menschen, die nach sechs Jahren Sparpaketen keine Verbesserung, sondern Verschlechterungen in ihrem Leben gesehen haben, ohne ihnen die wahren Gründe für die Krise zu nennen.

 

Es ist haarsträubend, was sein Kabinett sehr rasch und gedankenlos in Bereichen wie Erziehung, wo man gute Reformen (wie die Diamantopoulou-Hochschulenreform) ohne Geldkosten anullieren kann, zu demolieren begonnen hat. Ich halte die aktuelle Regierung für eine gefährliche Bande.

 

Ich habe fast nie Träume. Aber vorgestern Nacht träumte ich davon, dass ich Drachmen vom Geldautomaten abheben musste, und ich war traurig. Ich dachte mir: ,Wie schade, ich habe so vieles einbüßen müssen, damit sich die Lage langfristig bessert, aber nun scheinen unsere Anstrengungen umsonst gewesen zu sein.‘

 

Ich hoffe, dass Frau Merkel und die anderen EU-Partner weiter konsequent bleiben, damit wir Griechen, die schon so vieles verlieren mussten, nicht vollends in die Katastrophe getrieben werden.“

 

 

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